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Interview mit den BASELABS-Gründern Robin Schubert und Holger Löbel

Eigentlich wollte diese Ausgabe von „Stadt für Macher“ mal wieder bei der BASELABS GmbH vorbeischauen, die seit ihrer Gründung 2012 als Entwicklerin für Software rund ums automatisierte Fahren auf über 50 Mitarbeitende angewachsen war. Dann kam im Frühjahr 2023 die Nachricht: Der Softwarekonzern Vector Informatik übernimmt 100 Prozent der BASELABS. So traf sich die Redaktion mit den Gründern Robin Schubert und Holger Löbel zu einem etwas anderen Gespräch – über Gründung, Wachstum und Verkauf eines Technologie-Start-ups, mit lachenden und weinenden Augen.

BASELABS wurde 2013 von einem vierköpfigen Team aus der TU Chemnitz heraus gegründet. Kannten sich die vier Gründer vorab untereinander?

Holger:

Wir kannten uns nicht alle. Ich kannte Robin, Robin kannte die beiden anderen Kollegen. Die drei waren eine Forschungsgruppe an der Professur für Nachrichtentechnik und haben dort im Bereich Fahrerassistenzsysteme gearbeitet. Dabei haben sie festgestellt, dass sich Dinge im Softwarebereich wiederholen, woraus die Idee entstand: Das könnte ein Produkt und damit auch eine Firma werden. Robin und ich kannten uns aus dem Studium durch ein gemeinsames Stipendium. Er hatte in Erinnerung, dass ich mich für das Thema Unternehmensgründung interessiere. Und da zu einem Gründungsteam ein Kaufmann gut passen würde, hat er mich kontaktiert. Für BASELABS bin ich dann nach Chemnitz zurückgekommen.

Die Gründung erfolgte mit dem Fokus auf Software für Fahrerassistenzsysteme. Was waren die ersten Entwicklungsschritte?

Robin:

Der erste Meilenstein war der erste Kunde. Das war kurz nach der Gründung, als wir mit Bosch Deutschland den ersten Käufer für unsere Software gefunden haben. Darauf konnten wir aufbauen und unseren Kundenstamm erweitern. Ein zweiter Meilenstein war, als internationale Kunden dazukamen. Ein großer Schritt folgte, als wir uns von der anfänglichen Forschungslastigkeit in Richtung Software entwickelt haben, die direkt im Fahrzeug in sicherheitskritischen Bereichen in der Fahrerassistenz eingesetzt werden kann.

Holger:

Das waren die Meilensteine 1, 2, 3 – vielleicht sind aber auch die mit Null.Punkt interessant: Vor der Gründung konnten wir den EXIST-Forschungstransfer nutzen, eine Phase von bald 18 Monaten. In dieser Zeit hatten wir einen sehr intensiven Austausch mit SAXEED, die uns beraten haben bei der Antragstellung, die uns mit Informationen zu Businessplan-Wettbewerben versorgt haben und Sparringspartner waren bei der Entwicklung unseres Businessplans. Das war äußerst hilfreich für uns.

Im Rückblick: Brauchtet Ihr diese 18 Monate, um ein Geschäftsmodell zu entwickeln?

Robin:

Definitiv ja. Der Übergang von der Forschung zu einem marktfähigen Produkt ist ein größerer Sprung. Uns hat sehr geholfen, dass wir die Zeit hatten, uns intensiv damit auseinanderzusetzen sowohl aus technischer Sicht als auch auf der Businessseite: Wie muss das Marketing aufgebaut werden, wie sieht der Vertrieb aus? Das sind Fragen, mit denen man sich als Forscher kaum beschäftigt. Hier einen Plan zu entwickeln, braucht Zeit.

In der Automobil-Industrie muss man den Fokus auf große Kunden richten. Wie schwer war es, als Gründungsteam an einen Konzern wie Bosch heranzukommen?

Holger:

Bei Bosch gab es Kontakte aus vorheriger gemeinsamer Forschungsarbeit, das war hilfreich. Und die EXIST-Förderung hat auch insofern geholfen, dass hier Mittel bereitstanden, um zu ersten Kongressen zu reisen, wo wir – erst als Projekt, später als Unternehmen BASELABS – aufgetreten sind. Wir haben unsere Software an Entwicklungsabteilungen, an fachliche Experten verkauft – die haben wir auf den einschlägigen Veranstaltungen getroffen.

Robin:

Eigentlich war der Kontakt zu großen Firmen leichter, als wir uns das zunächst vorgestellt hatten. Ich kann jeden Gründer nur ermutigen, diesen Schritt ohne allzu großen Respekt vor großen Namen zu gehen. Man hat es immer mit Menschen zu tun, die vor Herausforderungen stehen. Wenn man sich fachlich auf Augenhöhe begegnet, spielt der Größenunterschied der Unternehmen nicht die entscheidende Rolle. Im Einkaufsprozess kommen dann vielleicht Schwierigkeiten wie der Nachweis von Zertifikaten hinzu. Die sind aber zu bewältigen.

Was konntet Ihr den Konzernen bieten, was die nicht selbst hatten?

Robin:

Durch die mehrjährige Forschungsarbeit hatten wir einen Wissensvorsprung. Ein Unternehmen, das tagtäglich im Kundengeschäft ist, beschäftigt sich vielleicht etwas weniger intensiv mit den neuesten Forschungsergebnissen, als wir das an der Uni tun konnten. Diesen Vorsprung konnten wir für die Kunden nutzbar machen.

Wie designt man aus Wissen ein Produkt?

Robin:

Im Gespräch erklärt der Kunde, vor welchen Herausforderungen er steht. Aber wir hatten immer den Eindruck: Wir müssen herausfinden, was der Kunde eigentlich will. Und am Ende besteht die Kunst darin, aus Gesprächen mit mehreren Kunden den gemeinsamen Kern herauszufiltern und eine Lösung zu finden, die man als Produkt mehrfach verkaufen kann, weil sie mehreren Kunden nutzt.

Dafür braucht es dann auch Man-Power, die man sich leisten können muss. Habt Ihr am Anfang auf Pump gelebt?

Holger:

Die Kurzform: Ja. Es war bei unserem Thema von Beginn an klar, dass wir nicht auf organisches Wachstum setzen können. Wir wussten: Wir müssen zunächst massiv in die Produktentwicklung investieren. Deshalb haben wir schon in der Gründungsphase nach Finanzierungspartnern gesucht und den Technologiegründerfonds Sachsen gewinnen können, der uns mit Kapital versorgt hat. Auf dieser Basis haben wir sehr schnell die ersten Einstellungen getätigt.

Wann ist der TGFS ausgestiegen und wann kam Vector als strategischer Investor hinzu?

Robin:

Beides war 2014. Im Grunde waren es zunächst zwei unabhängige Aktivitäten. Mit dem TGFS waren wir in ersten Gesprächen über eine Folgefinanzierung. Parallel hatten wir Vector bei einem Vertriebstermin kennengelernt. Hier kam die Anfrage, ob wir uns eine engere Kooperation vorstellen können, auch über einen Verkauf von Anteilen an BASELABS. Die Diskussionsstränge haben wir zusammengeführt, sodass Vector schließlich die Anteile des TGFS – und ein paar mehr – übernommen hat.

Was hat sich durch den Einstieg von Vector verändert?

Holger:

Unmittelbar spürbar war die Unterstützung beim Vertrieb. Wir hatten viel besseren Zugang in Regionalmärkte, weil uns die Vector-Kollegen vor Ort, zum Beispiel in Japan, an die Hand genommen haben und wir auf bestehende Netzwerke zugreifen konnten.

Robin:

Ein anderer Effekt war, dass wir uns zu vielen Themen Rat holen konnten, einerseits auf technischer Ebene, aber auch zu Fragen der Unternehmenssteuerung. Zugleich hatten wir aber volle Unabhängigkeit darüber, wie wir die Sachen angehen. Das war Vector sehr wichtig. Sie wollten keine Mehrheit an BASELABS, sie wollten in das Thema Fahrerassistenz hineinschnuppern und uns unterstützen.

Wie erfolgreich waren Eure Produkte?

Robin:

Es gab unterschiedliche Phasen. Die ersten Jahre nach dem Vector-Einstieg waren sehr erfolgreich, vor allem auf dem japanischen Markt – die umsatzstärksten in der BASELABS-Zeit. Wir haben aber zunehmend gemerkt, dass unsere Software für viele Hersteller so essenziell, so wichtig ist, dass sie das Wissen darüber nicht mit anderen teilen wollen. Dieses Exklusivitätsstreben lässt sich nicht verbinden mit dem Ziel, ein Produkt mehrfach zu verkaufen.

War das letztlich der entscheidende Faktor für den Verkauf von BASELABS?

Robin:

Man muss eine Entscheidung treffen, wenn Markt und Produkt nicht zusammenkommen. Für uns heißt das: Wir verkaufen das Eigentum an unserer Software exklusiv an einen Kunden, der sie serienmäßig auf der Straße nutzbar macht. Da danach nichts mehr übrig ist, was man verkaufen könnte, geben wir die Anteile an BASELABS vollkommen an Vector, die mit dem bestehenden Team einen starken Chemnitzer Standort zwar für AutomotiveSoftware, aber nicht mehr unbedingt für Fahrerassistenzsysteme eröffnen.

Das bedeutet das Ende von BASELABS als Marke und als Firma – wie blutet das Herz eines Gründers, der zehn Jahre an deren Aufbau gearbeitet hat?

Robin:

Als ich es zuhause am Abendbrottisch erzählt habe, waren meine Kinder sehr traurig, sie sind mit BASELABS aufgewachsen. Die Traurigkeit spüre ich auch, ich denke, wir spüren die alle. Aber es gibt neben dem weinenden auch ein lachendes Auge. Klar, es wird etwas verschwinden, was uns viele Jahre beschäftigt hat. Auf der anderen Seite entsteht aber auch etwas Neues für den Standort und auch für die Mitarbeitenden, für die man eine Verantwortung hat.

Holger:

Zunächst einmal haben wir etwas geschafft, was viele Gründer nicht schaffen: Wir waren über elf Jahre da und haben die Firma nicht nur am Leben gehalten, sondern auch wachsen lassen. Und wir haben jetzt die Chance, unser Produkt so zu verkaufen, wie es der Markt will. Zudem haben wir mit Vector jemanden mit einer ähnlichen Unternehmenskultur gefunden, von dem wir wissen, dass unsere Leute in sehr gute Hände kommen – und zwar alle, die das wollen. Das haben auch die ersten Mitarbeitergespräche bestätigt. Wenn man also den Lebenszyklus unseres Unternehmens betrachtet, bewerte ich den für mich sehr positiv. Es hätte auch ganz anders laufen können.

Robin:

Dass wir im Verkaufsprozess für unsere Software großes Interesse verspüren, vermittelt uns das gute Gefühl, dass wir etwas geschaffen haben, was von vielen Interessenten als wertvoll angesehen wird.

Wie stark werdet Ihr Euch persönlich bei Vector einbringen?

Robin:

Ich kann mir die Arbeit bei Vector ganz grundsätzlich vorstellen, aber die finale Entscheidung ist noch nicht getroffen. Im Moment brauche ich noch etwas Zeit, um die Situation für mich zu verarbeiten, zumal wir auch noch im Verkaufsprozess für unsere Software stecken.

Holger:

Ich persönlich werde wohl nicht zu Vector wechseln. Nach elf Jahren Unternehmertum kann ich mich momentan nicht an den Gedanken gewöhnen, wieder einen Vorgesetzten zu haben und irgendwo in einer großen Organisation eingebunden zu sein.

Und stattdessen?

Holger:

Wir sprachen am Anfang darüber, wie wertvoll es für Gründerteams ist, sich mit anderen auszutauschen. Ich kann mir gut vorstellen, in Zukunft meine gewonnene Expertise weiterzugeben. Ich sehe mit Freude, dass hier am Standort Chemnitz weiterhin viele Gründungen entstehen – vielleicht kann ich ja Teil davon werden, dass die eine oder andere genauso oder noch ein bisschen erfolgreicher wird als BASELABS.

Robin, Holger, wir danken für das Gespräch.

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